Bei kaum einem Thema gibt es so viele Meinungen und so viel Unwissen wie bei der positiven Verstärkung. Die Einen glauben, dass wir alle damit arbeiten, die Anderen, dass sie in der Pferdewelt niemand benutzt. Wie immer liegt die Wahrheit dazwischen.
Meiner Erfahrung nach verwenden gerade Profis gerne positive Verstärkung und nennen es nicht so, während in der Masse gerne geprahlt wird, man arbeite positiv, obwohl dies nicht der Fall ist. Was meine ich damit? Zählt das Klopfen auf den Hals oder ein gut gemeintes "Braaaav" oder "Fein" als positive Verstärkung? Nein, von Natur aus haben diese Dinge für unser Pferd erstmal keine Bedeutung. Meinstens lernen unsere Vierbeiner, dass auf das Klopfen oder das Wort das Ende der Übung folgen. Sie kündigen also eine Pause an, sind aber nicht die Belohnung selbst und zählen somit nicht als positive Verstärkung (auch wenn die Pause etwas positives für unser Pferd ist!).
Wo bleibt also die positive Verstärkung? Viele Pferdetrainer arbeiten bei besonders schwierigen Lektionen wie dem Ablegen oder der Piaffe, oder angstbehafteten Aufgaben wie dem Verladen oder dem Aufsteigen mit einer Futterbelohnung. Warum? Vermutlich hat man über die Jahre die positiven Effekte des Futters im Training dieser Aufgaben zu schätzen gelernt. Eine gesteigerte Motivation beim Pferd und der Endorphinausstoß können wirklich enorm hilfreich sein. Aber eben nur, wenn man es korrekt einsetzt. Deshalb gibt es auch immer noch Trainer die Futter kategorisch ablehnen und behaupten, man würde sich damit Keksmonster erziehen. Wenn man es falsch macht - ja. Aber auch eine falsch eingesetzte Gerte kann Pferde "verziehen", das zählt also nicht.
Aha, und das soll nun also positive Verstärkung sein? Um ehrlich zu sein, das ist individuell und wir müssten das Pferd dazu befragen. Denn auch wenn es für eine Lektion einen Keks gibt, heißt es nicht automatisch, dass es positive Verstärkung im eigentlichen Sinn war. Um das warum zu finden müssten wir das Pferd fragen warum es diese Lektion nun ausgeführt hat. Weil es einen Keks bekommt, oder weil es sonst die Gerte/ Sporen/ Seil/... zu befürchten hatte. Macht das Pferd die Lektion, weil es etwas (Gerte/ Sporen/ Seil/...) vermeiden möchte, so arbeitet man immer noch mit negativer Verstärkung (und setzt eine Kirsche oben drauf). Nur wenn das Pferd die Option hat, die Lektion nicht zu machen und nichts zu befürchten hat ist es reine positive Verstärkung.
Bist du nun verwirrter als vorher? Hier findest du meinen Beitrag zu den Lernformen.